Man habe ein Aufforderungsschreiben an das Vereinigte Königreich gerichtet, weil das Land gegen seine Verpflichtungen aus dem Austrittsabkommen verstoßen habe, teilte die EU-Kommission am Donnerstag mit. Mit diesem Schritt beginne ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren.
Großbritannien habe einen Monat Zeit, um auf das Schreiben zu antworten. Nach Artikel 5 des Austrittsabkommens müssen beide Seiten alle geeigneten Maßnahmen treffen, um die sich aus dem Austrittsabkommen ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen, und alle Maßnahmen unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele des Abkommens gefährden könnten. Konkret richtet sich die Beschwerde der EU-Kommission gegen das umstrittene Binnenmarktgesetz, welches am Dienstag trotz massiver EU-Kritik vom britischen Unterhaus gebilligt worden war. Die britische Regierung habe es trotz zahlreicher Aufforderungen der Europäischen Union unterlassen, die strittigen Teile des Gesetzentwurfs zurückzuziehen, kritisierte die EU-Kommission.
Damit habe das Vereinigte Königreich gegen seine Verpflichtung gemäß Artikel 5 des Austrittsabkommens, nach Treu und Glauben zu handeln, verstoßen. Darüber hinaus habe das Land einen Prozess eingeleitet, der bei vollständiger Ratifizierung des Gesetzes die Umsetzung des Austrittsabkommens „erheblich beeinträchtigen“ würde, so die Brüsseler Behörde.
Zuvor hatte die Europäische Union ein Ultimatum bis zum vergangenen Mittwoch gesetzt bekommen, um die umstrittenen Klauseln des Gesetzes zurückzunehmen. EU Kommisionschefin Ursula von der Leyen gab der britischen Regierung einen Monat Zeit, eine Stellungnahme zu senden.
Dies ist der erste Schritt in einem Verfahren, was am Ende vor dem Europäischen Gerichtshof landen könnte.
Grund des Streits: Binnenmarktgesetz
Das Binnenmarktgesetzt, dass noch vom britischen Oberhaus behandelt werden muss, verstößt laut Europäischer Union gegen das vertraglich festgelegte Prinzip „des guten Glaubens“ und konkret gegen das Protokoll für Nordirland, so von der Leyen.
Die EU bezeichnete die Pläne von Briten-Premierminister Boris Johnson als Vertrauensbruch und Verstoß gegen internationales Recht.
Für die britische Regierung hingegen stellt das Gesetz ein „Sicherheitsnetz“ dar, für den Fall, dass vor Jahresende kein handeslvertrag mit der EU gelingen sollte. Sie möchte vertraglich vereinbarte Sonderklauseln für Nordirland aushebeln.
Großbritannien verlässt zum Jahresende den EU-Binnenmarkt und die Zollunion. Ohne einen Abschlussvertrag droht ein harter wirtschaftlicher Bruch inklusive Zöllen und Handelshürden. Seit dieser Woche verhandelt die Europäische Union und Großbritannien über den geplanten Handelspakt.