Man könnte es eine schallende Ohrfeige nennen, die das Robert-Koch-Institut dem Saarland und seinem Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) erteilt. Denn das Bundesinstitut stellt das Bundesland bei der Inzidenz als „besonders stark betroffen“ heraus.
Am gestrigen Abend meldete das Gesundheitsministerium 205 Neuinfektionen mit dem Sars-Cov-2-Virus. Die Belegung der Intensivstationen mit 58 am Montag und 56 Menschen am Dienstag haben neue Höchststände erreicht, die zuletzt Mitte Februar erreicht wurden. Das DIVI-Intensivregister bescheinigt dem Saarland heute noch 8,6 % freie Intensivbetten, so wenige wie seit lange nicht. Seit Wochen pendelte man zwischen 15 und 25 Prozent. Der Anteil der Covi-19-Patienten liegt im Saarland nach DIVI-Angaben aktuell bei 14,6 %. Dies ist im Bundesvergleich einer der geringsten Werte – Stand 14.04.2021, 14:00 Uhr.
Ministerium und Staatskanzlei reagierten bisher nicht auf Regio-Journal-Anfragen von Dienstagmorgen. Konkret wollten wir wissen, welche Parameter die Ampel auf Rot springen lassen und wann das Saarland die Krankenhaussituation als kritisch ansieht.
Ministerium & Staatskanzlei schweigen
Bis heute ist nicht bekannt, was die Staatskanzlei als „drohende Überlastung“ des Gesundheitssystems versteht. Auch diese Frage wurde uns weder vom Ministerium für Gesundheit, noch von der Staatskanzlei beantwortet.
Diese Probleme scheinen übrigens nicht nur wir zu haben, denn SR Landespolitik-Chef Michael Thieser kommentierte knallhart: „Eine SR-Anfrage zu diesem Thema wurde am vergangenen Freitag so inhaltsleer und nichtssagend beantwortet, dass man nur zu dem Schluss kommen kann, es gibt keinen begleitenden Forschungsansatz: Keine Stichprobe, keine Kontrollgruppe und kein Forschungsdesign, das detailliert darüber Auskunft geben könnte, wie sich das jetzige Ampel-Modell in der Praxis auswirkt.“
Und auch BILD-Reporter Steffen Meyer attestiert in seinem Bericht: „Hans schickt seinen Regierungssprecher vor. (…) Denkt der MP schon über die Notbremse nach? Ab welchen Inzidenzwerten zieht er sie? Auch diese Fragen beantwortet Tobias Hans nicht. (….) Sein Sprecher mit einer ausweichenden Antwort …“
Fakt ist: Im Saarland steigt die Inzidenz überdurchschnittlich. Gestern von 119 auf 134.
Daher titelt das RKI in seinem aktuellen Tagesbericht: „In den meisten Bundesländern ist eine Zunahme der 7-Tage-Inzidenz zu beobachten, im Saarland ist diese Entwicklung besonders stark.“
Außerdem hört man aus Kliniken, dass mehr Jüngere behandelt werden. Dass sich trotz sinkender Fallzahlen bei den über 80-Jährigen gleichzeitig aber mehr jüngere Menschen infizieren und auf den Intensivstationen landen würden, lasse sich unter anderem auf die Mutanten, ein riskanteres Sozialverhalten und die aktuell hohe Inzidenz zurückführen, so der Chefarzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Dr. Konrad Schwarzkopf, vom Klinikum Saarbrücken. „Das Virus grassiert momentan in der Breite – also auch an den Arbeitsstätten“, wird er im SR zitiert.
Ampel auf Gelb – wann droht Überlastung?
Mittlerweile steht die „Ampel“ des bundesweit viel beachteten und vor allem von Virologen kritisierte „Saarland-Modell“ auf Gelb. Dabei scheitert das „Saarland-Modell“ nicht einmal an sich selbst, sondern die steigende Dynamik an Neuinfektionen zeichnete sich bereits zu Beginn ab, was an gestiegenen Inzidenzen zu erennen war. Lag die Inzidenz am 21. März noch bei 65,5, betrug sie am 27. März bereits 80,1. Am 31. März stieg sie auf 89,9 an, um am 5.4, einen Tag vor Start des Saarland-Modells bei 91,3 zu liegen.
Am 8. April, zwei Tage nach Beginn des Modellversuchs lag sie bei 97,4, am 9.4. bei 103 und gestern b ei 134,4. Die Tendenz war also bereits zuvor steigend.
Dennoch: „Wenn das Infektionsgeschehen nicht unter Kontrolle bleibt und dem Gesundheitssystem eine Überlastung droht, werden wir, ohne zu zögern auf Stufe Rot stellen und die Notbremse ziehen„, so die saarländische Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) nach dem Beschluss der Landesregierung vom Sonntagabend.
Die Folge wäre ein Lockdown. In Anbetracht der starken Belastung in den saarländischen Kliniken, fragt man sich, wann die Landesregierung erste Anzeichen für einen drohenden Lockdown sendet. Übrigens: Ab der Inzidenz von 100 haben Bund und Länder bereits am 24.03 beschlossen, die „Notbremse“ konsqeuent umzusetzen. Diese beinhaltete neben Geschäftsschließungen auch Kontaktbeschränkungen. Das Saarland rettet sich mit seinem Modellversuch also erst einmal davor.
Und am Ende bleibt trotz Saarland-Modell die Frage, welche Parameter für die Feststellung der Überlastung zu Rate gezogen werden und vor allem, ab welchen Werten dann reagiert wird.