Jürgen Trenz, der Fraktionsvorsitzende der LINKE im Regionalverband sprach in seiner Rede zum Haushalt 2020 des Regionalverbands unter anderem über das Thema „Armut“. Trenz verweist auch den Teilhabeatlas des Berliner Instituts und den dort bescheinigten „Geringen Teilhabechancen für die Einweihner“ des Regionalverbandes. Die Rede im Wortlaut.
Jürgen Trenz:
Wie in jedem Jahr könnten wir uns gemeinsam beklagen über die gestiegenen Kosten im Sozialbereich, über die immer noch zu geringe Unterstützung der kommunalen Ebene durch Bund und Land und über die weitere Steigerung der Regionalverbandsumlage. Das Zahlenwerk im Haushalt wurde von den Vorrednern bereits ergiebig dargestellt. Ich möchte mich deshalb mit der Gesamtsituation unseres Regionalverbandes beschäftigen
In dem zuletzt
veröffentlichten – Teilhabeatlas des Berlin Institutes – wird der
Regionalverband Saarbrücken als Region mit „geringen Teilhabechancen für
seine Einwohner“ klassifiziert. Eine wenige Monate vorher veröffentlichte
Studie zählt den Regionalverband zu den 10 wichtigsten Abstiegsregionen in
Deutschland. In der Bundesrepublik gibt es 401 kreisfreie Städte, Landkreise
und landkreisähnliche Gebietskörperschaften. Gebietskörperschaften mit Problemlagen
sind nach Studie des Berlin Institutes u.a. geprägt von sehr hoher Hartz IV
Abhängigkeit der Bevölkerung, von geringem Einkommen, einem mittleren
Steueraufkommen, einer hohen Anzahl von Schulabbrechern und einer geringen
Lebenserwartung. Ganz konkret weist der Regionalverband die absolute Hartz IV
Spitzenquote bei Kommunen südlich der Mainlinie auf, gemeinsam mit Pirmasens.
Auch beim jährlich verfügbaren Haushaltseinkommen findet sich der
Regionalverband im unteren Drittel wieder und gehört südlich der Mainlinie zu
den Schlusslichtern. Das Saarland gilt als Bundesland mit der geringsten
Lebenserwartung – im Regionalverband sieht es nicht besser aus. Weiter wird
ausgeführt, das Menschen mit höherem Einkommen, besserer Bildung und mehr
Möglichkeiten zur Teilhabe und zur Selbstverwirklichung schlicht länger leben,
auch weil sie sich eine bessere gesundheitliche Versorgung leisten können. Im
Regionalverband ist dies nicht der Fall !!!. Die Schulabbrecherquote ist bei
uns überdurchschnittlich. Eine sehr schlechte Voraussetzung für die Zukunft des
Großraums Saarbrücken. Zu allem Überfluss gehören wir auch noch zu den Regionen
mit einem negativen Bevölkerungswachstum was sich bis 2035 noch verschärfen
wird.
Diese Fakten haben nun eine ganze Menge mit unserem Haushalt zu tun. Die zu
erkennenden Gegenmaßnahmen halten sich in einem sehr bescheidenen , in jedem
Fall komplett unzureichenden Umfang. Die Verwaltung und die sie tragende
Koalition aus CDU und SPD verstehen offensichtlich nicht, wie und das der Negativentwicklung
im Regionalverband mit gezielten finanzwirksamen Maßnahmen entgegen gewirkt
werden muss.
Die Studie des Berlin Instituts beschreibt die Abwärtsspirale aus sinkendem Angebot vor Ort, der sinkenden Attraktivität des Lebensraums und der abnehmenden Bevölkerung. Wenn diese Abwärtsspirale aufgehalten werden soll sind gezielte, stärkere Investitionen notwendig. Die Linke Fraktion im Regionalverband hat daraus die notwendigen Schlüsse gezogen und mit einer Reihe von Haushaltsanträgen auf die verheerenden Entwicklungen im Regionalverband reagiert.
Wir wollen die personelle Stärkung der Schuldnerberatung. Nur wenn Menschen ihre finanziellen Verhältnisse im Griff haben, können sie ihre Zukunft positiv gestalten. Wir bewegen uns auch bei der Verschuldungsrate im traurigen Spitzenbereich.
Wir hatten einen Antrag gestellt auf Anmietung von Kontingentwohnungen für Menschen mit erheblichen Problemen auf dem Wohnungsmarkt. Dieses Modell gibt es übrigens erfolgreich in mehreren Städten in Deutschland.
Ganz besonders wichtig erscheint uns die personelle Stärkung der Sozialberatung in der Gemeinwesenarbeit Burbach. In einem Stadtteil mit nahezu 40 % Hartz IV Beziehenden und noch einmal knapp 14 % Grundsicherungsbeziehenden ist eine qualifizierte Sozialberatung und die Hilfe bei der Ordnung der Lebensverhältnisse nahezu lebenswichtig.
Einen kleinen Beitrag für gesundes Essen würde auch unser Antrag für einen VHS Kochkurs für Familien mit geringem Einkommen leisten. Gut ausgestattete Schulen in einem ordentlichen Zustand sind eine wesentliche Voraussetzung für ein funktionierendes Lernumfeld. Und können zu guten Schulabschlüssen beitragen. In einigen unserer Schulen herrschen unzumutbare Zustände , was die Hitzeentwicklung in wärmeren Jahreszeiten betrifft. Deshalb wollen wir exemplarisch an der Gemeinschaftsschule Sulzbachtal einen Wärmeschutz installieren um dort ordentliches Lernen wieder möglich zu machen. Diese Investition ist allerdings mit Kleingeld nicht zu stemmen.
Wir wollen, das der Schlossplatz auch für mobilitätseingeschränkte Menschen voll nutzbar wird. Dies erhöht nicht nur die Teilhabechancen sondern ist auch ein verpflichtendes Gebot der UN_Behindertenrechtskonvention.
Schließlich sollte der Regionalverband eine Machbarkeitsstudie finanzieren, zur Rentabilität und zur Sinnhaftigkeit einer Touristenbahn, hier Musseenbahn genannt. Mit dieser Touristenbahn zwischen dem Weltkulturerbe Völklinger Hütte, dem Premiumstandort Velsen und einem möglichen Endausbau bis zum nationalen Kohlemuseum „La Mine“ in Petite Rosselle könnte der Industrietourismus in der Region entscheidend gefördert werden. Unsere grenzüberschreitende Industrieregion bietet bei entsprechender Förderung , etwa durch eine Touristenbahn, alle Chancen Menschen aus dem gesamten Südwesten und darüber hinaus in unsere Region zu locken. Das wäre konkrete Wirtschafts- und Kulturförderung und würde die Rosseltalbahn auch für eine reguläre Nutzung im Personenverkehr sichern. Übrigens als Nebeneffekt wäre dies auch unter Klimagesichtspunkten mehr als sinnvoll! Stichwort Umstieg auf einen bezahlbaren ÖPNV – Reduktion des Individualverkehrs.
Ich muss hier nicht weiter erwähnen, dass die wilde Ehe aus CDU und SPD alle Anträge unserer Fraktion abgelehnt hat. Darunter war auch unsere Resolution zur Wiedereinsetzung der Vermögenssteuer. Mit den damit zu erzielenden Einnahmen wäre es möglich, weit über unsere Anträge hinaus ein umfängliches Investitionsprogramm zu finanzieren mit dem man wesentliche Probleme des Regionalverbandes lösen könnte. Nach dem die Bundes-SPD dies erkannt hat und auch die Vermögenssteuer fordert, hoffen wir im Regionalverband auf die Lernfähigkeit der Genossinnen und Genossen. Übrigens fordert ROT-ROT im Stadtrat Saarbrücken ebenfalls die Vermögenssteuer.
Wenn wir die Armutsentwicklung im Regionalverband positiv beeinflussen wollen, brauchen wir dringend einen „Aktionsplan gegen Armut“, auf der Grundlage des vorliegenden Sozialberichts. Es ist der Regionalverband der am besten und an den entscheidenden Stellen positiv Einfluss auf die Armutsentwicklung im Saarbrücker Großraum ausüben kann. Dieser Plan und seine Maßnahmen werden im Ergebnis Geld kosten, das wir im Haushalt verankern müssen. Ein entsprechender Antrag ist der Verwaltung inzwischen zugegangen.
Nun kann natürlich in der Debatte wieder eingeworfen werden: Das kostet alles viel Geld, das wir nicht haben. Aber liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man den Begriff „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ ernst nimmt, dann sollte es doch möglich sein, durch die herausragende Präsenz saarländischer PolitikerInnen in Berlin einen finanziell wichtigen Schritt in diese Richtung zu gehen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Wie in jedem Jahr danken wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für die umfängliche Arbeit am Haushaltsentwurf 2020. Sie haben uns in die Lage versetzt, den Haushalt zu verstehen, zu bewerten und aus unserer Sicht notwendige Korrekturen einzufordern.
Wie ich schon angedeutet habe, ist der aktuelle Haushaltsentwurf und die Reaktion der beiden großen Parteien auf unsere Anträge enttäuschend. Die Fraktion DIE LINKE lehnt den vorliegenden völlig unzureichenden Haushaltsentwurf der Verwaltung ab Ich danke für die Aufmerksamkeit.