In nur 15 Minuten stellte sich die Bundeskanzlerin den Fragen der ARD-Journalisten Tina Hassel und Rainald Becker. Das ist deswegen bemerkenswert, da sich die Kanzlerin seit Beginn der Corona-Pandemie kaum noch für große Interviews hat begeistern lassen – sieht man großzügig über ihr Interview im Bahn-Magazin hinweg.
Doch statt bohrende Fragen zu beantworten, gelang es der Kanzlerin, Nebelkerze um Nebelkerze zu zünden und dann auch pünktlich nach 15 Minuten das Interview „zu beenden“.
In Anbetracht der größten nationalen Katastrophe seit dem 2. Weltkrieg hätte dieses Interview durchaus länger sein dürfen. Und kritischer.
Doch bleiben wir bei den Fakten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte: „Also ich glaube, dass im großen Ganzen nichts schiefgelaufen ist.“ Dass andere Länder schneller beim Impfen sind als Deutschland „wurmt einen natürlich“, so die Kanzlerin.
Damit können wir, ähnlich wie die große ARD, es an diesem Punkt beenden. Denn wenn „im Großen und Ganzen“ nichts schief gelaufen ist, gibt es auch nichts zu berichten.
Wenn die Worte der Kanzlerin stimmen würden, würden nicht weiterhin zahlreiche Menschen in Pflegeheimen an oder mit Corona sterben. Dann gäbe es genügend Impfstoff, um zumindest eben diese vulnerablen Gruppen vollständig geimpft zu haben.
Und wenn „im Großen und Ganzen“ nichts schief gelaufen wäre, müsste man nicht ausgerechnet einen russischen und chinesischen Impfstoff ins Spiel bringen, der plötzlich auch in der EU ernsthaft als Alternative angesehen wird. Dies dürfte Wasser auf deren Propagandamühlen sein.
Und wäre „im Großen und Ganzen“ nichts schief gelaufen, würde das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Maßnahmen der Regierung nicht bei weniger als 50 Prozent Zustimmung angekommen sein.
Wäre „im Großen und Ganzen“ nichts schief gelaufen – bei der Beschaffung des Impfstoffs durch Bundeskanzlerin Angela Merkels maßgeblich geförderte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (ja, das war die Frau mit der Plagiatsaffäre um ihren Doktortitel, die Berateraffäre in der Bundeswehr, dem fatalen Klops bei der Ersatzbeschaffung zu den G36 Sturmgewehren und auch die mit dem Drohnen-Beschaffungsdebakel), stünden die Impfzentren nicht nahezu leer in der ganzen Republik herum.
Und nicht nur das. Wäre „im Großen und Ganzen“ nichts schief gelaufen, wären die Schulen in Deutschland schon seit Jahren digitalisiert, ebenso das gesamte Gesundheitssystem. Und allen voran müssten die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten nicht ständig mit dem Finger auf Berlin und Brüssel zeigen, wenn wieder einmal Impftermine abgesagt werden müssen.
Es ist erstaunlich, wie realitätsfern sich die Bundeskanzlerin zur besten Sendezeit vor die Kamera setzen konnte, ohne dass ihr von gestandenen Journalisten Einhalt geboten wurde.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte sinngemäß, man „müsse sich in der Pandemie vieles verzeihen“.
Damit die Bevölkerung verzeihen kann, bedarf es erst einmal der Einsicht der handelnden Politiker, dass eben im „Großen und Ganzen“ einiges schief gelaufen ist.
Der Satz „im Großen und Ganzen ist nichts schief gelaufen“ wird, ähnlich wie „Wir schaffen das“ in die Geschichte eingehen. Bleibt zu hoffen, dass bei der Lieferung der Impfstoffe in diesem Jahr nichts mehr „schief laufen wird“, sonst wird das größte Impf-Desaster der Geschichte unweigerlich mit Angela Merkel in die Annalen eingehen.