Das Bundeskabinett hat die Änderung des Infektionsschutzgesetz beschlossen. Die Gesetzesänderung muss nun durch Bundestag und Bundesrat. Allerdings ist die ausdrückliche Zustimmung der Länderkammer nicht erforderlich. Der Bundesrat könnte allenfalls Einspruch erheben.
Die Deutsche Presse Agentur berichtete als erstes über die bevorstehende Änderung. Mit diesem Beschluss müssen sich Millionen Menschen in allen Teilen Deutschlands auf geschlossene Läden und Ausgangsbeschränkungen nach bundesweit verbindlichen Vorgaben einstellen.
Ausgangssperre geplant
Wie bereits bekannt, ist eine Ausgangsbeschränkung zwischen 21 und 5 Uhr vorgesehen.
Generell soll ab einer Inzidenz eine Kontaktbeschränkung auf den eigenen Hausstand plus eine weitere Person gelten. Maximal fünf Personen sollen zusammentreffen dürfen. Bei Todesfällen sollen maximal 15 Personen zusammenkommen können.
Auflagen zur Schließung von Handel, Restaurants, Cafés und Freizeiteinrichtungen sind ebenfalls vorgesehen.
Sie soll dann greifen, sobald ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt drei Tage über der Inzidenz von 100 liegt. Dem Bund sollen zudem mehr Durchgriffsrechte per Verordnung zugesprochen werden.
Schulschließungen sind ab einer Inzidenz von 200 vorgesehen. Dann müssten sie auf digitale Unterrichtsformen umstellen.
Wer muss schließen, wer darf öffnen?
Ab einer Inzidenz von 100 müssten nach dem Entwurf fast alle Geschäfte, Freizeit und Kultureinrichtungen schließen. Ausgenommen werden sollen der Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Stellen des Zeitungsverkaufs, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte und Gartenmärkte. Auch Friseure sowie Dienstleistungen, die medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken dienen, sollen öffnen dürfen. Hier sollen Abstand- und Hygienekonzepte gelten sowie Maskenpflicht.
Außerdem sollen Speisesäle in medizinischen oder pflegerischen Einrichtungen, gastronomische Angebote in Beherbergungsbetrieben, die ausschließlich der Bewirtung zulässig beherbergter Personen dienen, Angebote für obdachlose Menschen, die Bewirtung von Fernbusfahrerinnen und Fernbusfahrern sowie Fernfahrerinnen und Fernfahrern und nicht-öffentliche Kantinen.
Weiterhin soll die Auslieferung von Speisen und Getränken sowie deren Verkauf zum Mitnehmen soll weiter erlaubt sein.
Übernachtungen zu touristischen Zwecken sollen untersagt sein.
Sport nur noch alleine
Nach dpa-Angaben soll auch die Ausübung von Sport nur noch in kontaktloser Ausübrung von Individualsportarten erlaubt sein. Sie sollen demnach nur allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Hausstands ausgeübt werden dürfen.
Ausnahmen soll es wie bisher auch für den Wettkampf- und Trainingsbetrieb der Berufssportler und der Leistungssportler der Bundes- und Landeskader geben, aber weiter nur ohne Zuschauer stattfinden können.
Testpflicht auch für Unternehmen
Wie Reuters meldet, sei auch die Verpflichtung für Arbeitgeber, ihren Präsenzbeschäftigten mindestens einmal pro Woche einen Corona-Test anzubieten, auf den Weg gebracht worden. Das gelte auch für die Anhebung der bezahlten Kinderkrankentage auf 30 Tage, die jedes Elternteil zur Betreuung etwa bei Schul- oder Kitaschließungen geltend machen kann.
Derzeit überschreiten 325 Regionen in Deutschland die Sieben-Tage-Inzidenz von 100, das entspricht fast 80 Prozent aller deutschen Regionen. Damit würde auch das „Saarland-Modell“ per Bundesverordnung beendet werden.
Die Gesetzesänderung insgesamt gilt nur für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag. Das ist derzeit der 30. Juni.
Eventuell Erleichterungen für negativ getestete & Geimpfte?
„Solche Rechtsverordnungen können insbesondere weitergehende Vorschriften und Maßnahmen des Infektionsschutzes, Präzisierungen, Erleichterungen oder Ausnahmen vorsehen sowie besondere Regelungen für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 auszugehen ist oder die ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 vorlegen können„, heißt es in dem Entwurf.
FDP lehnt Gesetz ab
Die FDP-Bundestagsfraktion steht der vom Bundeskabinett beschlossenen Änderung des Infektionsschutzgesetzes weiter skeptisch gegenüber. „Die wesentlichen Schwächen bleiben: Das Gesetz soll an die nackte Inzidenzzahl als Tatbestand geknüpft sein“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Marco Buschmann der „Welt“ (Mittwochsausgabe). Die aber sei unzuverlässig und bilde die Lage vor Ort nicht ausreichend klar ab.
So bleibe eine „Unterscheidung nach flächenhaftem oder clusterartigem Infektionsgeschehen“ unmöglich. Auch Maßnahmen wie nächtliche Ausgangssperren würden übers Ziel hinaus schießen. Weiter behalte sich die Bundesregierung zusätzliche Grundrechtseingriffe per Rechtsverordnung vor, kritisierte Buschmann.
„Die neu eingefügte Einbindung des Parlaments bleibt vage. Denn der Entwurf enthält eine Zustimmungsfiktion des Parlaments, die an eine sehr kurze Frist gebunden ist. So wird vermutlich in der Praxis jedes Mal die Zustimmung des Parlaments fingiert sein, wenn eine solche Verordnung kurz nach einer regulären Sitzungswoche erlassen wird, ohne dass parlamentarische Beratungen zu der Rechtsverordnung stattgefunden haben“, so der Fraktionsgeschäftsführer. Die FDP-Fraktion lehne das Gesetz deshalb weiter ab. „Ich kann nicht erkennen, dass auf unsere Argumente – mit Ausnahme einiger Kleinigkeiten – eingegangen wurde“, sagte Buschmann. „Daher können wir kaum zu einer anderen Beurteilung gelangen.“
Göring-Eckardt: „Ausgangssperren verfassungsrechtlich nicht haltbar“
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, hält Ausgangssperren für verfassungsrechtlich nicht haltbar. Sie könnten nur das allerletzte Mittel sein, wenn alles andere nicht wirke, sagte sie in einer Stellungnahme. Dabei seien aktuell viiele Maßnahmen noch nicht ausgeschöpft. „Das genau ist das Problem, das wir sehen: Es ist verfassungsgemäß wahrscheinlich nicht haltbar.“
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