Von den 25 europäischen Nato-Staaten inklusive Schweden haben im Jahr 2023 lediglich Estland und Litauen das Zwei-Prozent-Ziel mit soliden Staatsfinanzen erreicht. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher des Ifo-Instituts in einer neuen Studie, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Finnland, Griechenland, Lettland, Polen, Rumänien, Slowakei und Ungarn gaben demnach zwar mehr als zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus, sie hatten aber gleichzeitig eine Staatsverschuldung von mehr als 60 Prozent oder ein Haushaltsdefizit von mehr als drei Prozent, gemessen an der Wirtschaftsleistung.
Sie lagen damit über den Maastrichter Grenzwerten der EU. Diese waren für 2023 zwar ausgesetzt, gelten ab 2024 jedoch wieder. Die aktuellen Haushaltsprognosen lassen 2024 keine wesentliche Verbesserung der Staatsfinanzen gegenüber 2023 erwarten, so die Studienautoren. Deutschland verfehlte der Untersuchung zufolge 2023 mit Verteidigungsausgaben von etwa 1,6 Prozent und einer Staatsverschuldung von 65 Prozent der Wirtschaftsleistung sowohl das Zwei-Prozent-Ziel als auch knapp den Maastricht-Grenzwert für den Schuldenstand. „Wir haben das Niedrigzins-Umfeld verlassen. Dauerhaft höhere Verteidigungsausgaben können nur gemeinsam mit soliden Staatsfinanzen erreicht werden. Europa braucht eine fiskalische Zeitenwende“, sagte Ifo-Militärexperte Marcel Schlepper.
Schon heute geben sieben der 25 europäischen Nato-Staaten inklusive Schweden mehr Geld für Zinszahlungen als für Verteidigung aus. An der Spitze steht Italien.
Der italienische Staat bezahlt fast das Dreifache seiner Verteidigungsausgaben für Zinsen. Auch Spanien, das Vereinigte Königreich und Ungarn geben fast das Doppelte ihres Verteidigungsbudgets für Zinsen aus. Deutschland bewegt sich im Mittelfeld: Für Zinsen der Staatsschulden gibt Deutschland inzwischen halb so viel aus wie für die Verteidigung. „Schulden erlauben zwar kurzfristig auf Krisen zu reagieren, sind aber keine langfristige Lösung“, sagte Ifo-Forscher Niklas Potrafke.
Einige europäischen Staaten tun sich im gegenwärtig angespannten Wirtschaftsumfeld schwer, die Verteidigungsausgaben gemäß den Nato-Vereinbarungen zu erhöhen. Bisher wird das Zwei-Prozent-Ziel fast ausschließlich an der östlichen Nato-Grenze verwirklicht. Dabei zeigen die Berechnungen des Ifo-Instituts, dass mit Ausnahme von Luxemburg auch alle weiteren europäischen Nato-Staaten das Zwei-Prozent-Ziel mit minimalen Anpassungen erreichen könnten: Die Regierungen müssten dazu etwa ein Prozent der Ausgaben in anderen Politikfeldern einsparen und diese Mittel für die Verteidigung verwenden. Econpol-Direktor Florian Dorn gibt jedoch zu bedenken: „Europa befindet sich in einem Dilemma. Jeder verfügbare Euro wird sowohl für Verteidigung als auch für Investitionen sowie die Wirtschafts- und Klimatransformation benötigt.“