Es war der Tag, auf den viele Menschen lange gewartet haben: Nationaltrainer Joachim Löw spricht zur Öffentlichkeit zum Scheitern bei der Fußball-WM in Russland.
Der Bundestrainer hat bereits der DFB-Spitze seine Fehler-Analyse des WM-Debakels offengelegt. In der Allianz Arena in München sprach Löw nun zur Öffentlichkeit. Auch gab er die Nominierung der Spieler für die Spiele gegen Weltmeister Frankreich (6. September) und Peru bekannt.
Löw übt Selbstkritik
Zu Beginn der Pressekonferenz erklärte Joachim Löw, dass jeder Einzelne in der Mannschaft unter seinen Möglichkeiten geblieben ist. Er nannte das Ausscheiden „Richtig“.
„Bei der WM in Russland sind wir alle unter unseren Möglichkeiten geblieben und haben zu Recht die Quittung dafür bekommen.“
Der Bundestrainer übte von Beginn an große Selbstkritik. Er nannte seine Idee, den Ballbesitzfußball zu perfektionieren „fast schon arrogant“.
„Mein allergrößter Fehler war, dass ich glaubte, dass wir mit unserem Ballbesitzfußball durch die Vorrunde kommen. Es war fast schon arrogant, ich wollte es auf die Spitze treiben. “
Weiterhin sagte Löw deutlich, dass die Intensität innerhalb der Mannschaft gefehlt hat. Die Mannschaft hätte zu langsam gespielt, zu ineffizient und zu wenig Gier an den Tag gelegt. Konkret sagte Löw:
„Die Mannschaft muss brennen. Es ist uns nicht gelungen, Reize zu setzen, dass es eine unglaublich große Flamme gibt.“
Löw über Özil
Auch das Thema Mesut Özil wurde behandelt.
Nach Angaben von Joachim Löw wurde er von Özils Berater über den bevorstehenden Rücktritt informiert. Mesut Özil habe sich bis heute nicht bei Joachim Löw gemeldet. Mehrere Kontaktversuche durch Joachim Löw blieben unbeantwortet.
„Mesut hat mich bis heute nicht angerufen. Er sich für diesen Weg entschieden, dass muss ich so akzeptieren.“
Gleichzeitig räumte Joachim Löw ein, dass er die „Erdogan-Fotos“ unterschätzt habe:
„Dieses Thema hat Kraft gekostet.“
Auch über das Thema Rassismus hat sich der Bundestrainer geäußert. Özil habe in seiner Erklärung mit seinen Vorwürfen völlig überzogen. So etwas habe es beim DFB und in seinem Team noch nie gegeben.
„Mesut und Ilkay haben sich immer mit den Werten der Nationalmannschaft identifiziert.“
Löw verkündet Positionswechsel im Trainerteam
Der Bundestrainer verkündet, dass Thomas Schneider nicht mehr dem Trainerstab der Nationalmannschaft angehören wird. Er wird die Leitung der Scouting-Abteilung übernehmen. Urs Siegenthaler bleibt weiter im Bereich des Scouting aktiv.
Bierhoff: „Wir sind selbstgefällig aufgetreten!“
Auch Teammanager Oliver Bierhoff nimmt Stellung zu dem Abschneiden der Nationalmannschaft.
„Es ist klar: Für die Außendarstellung und die Teamentwicklung nach innen bin ich verantwortlich. Uns hat einfach die richtige Einstellung gefehlt. Wir sind selbstgefällig aufgetreten und haben den Erfolg und die Unterstützung unserer Fans für selbstverständlich gehalten.“
Bierhoff ärgert sich, dass er Entwicklungen und Muster unterschätzt habe und an der „einen oder anderen Stelle nicht sensibel genug gehandelt habe.“
Die Özil-Vorwürfe des Rassismus im DFB weißt auch er vehement zurück:
„Ich habe mit Mesut neun wunderbare Jahre in der Nationalmannschaft verbracht. Aber ich weise den Rassismus-Vorwurf klar zurück!“
Der Teammanager erklärte in seinen Ausführungen, dass sie geglaubt haben, dass die Erfolgsgeschichte weiter geht und die WM ein „Selbstläufer“ wird.
Veränderungen im „Team hinter dem Team“ werden ebenfalls vollzogen. So erhofft sich Bierhoff, wieder näher an die Spieler zu kommen. Um dies zu schaffen, wird der Personenkreis rund um die Mannschaft verkleinert, um sich wieder mehr auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Auch auf die drohende Entfremdung von den Fans nahm Bierhoff Stellung. Diese Kritik habe ihn besonders getroffen, da für ihn Fannähe immer sehr wichtig gewesen sei. Er wolle in Zukunft Nahbarkeit und Bodenständigkeit gegenüber den Fans stärker betonen. So sollen wieder mehr öffentliche Trainingseinheiten durchgeführt werden.
Gleichzeitig wies Bierhoff darauf hin, dass es jedoch auch vor der WM ein Fan-Länderspiel um 18 Uhr gab, fünf Euro Eintritt, im Trainingslager in Südtirol Autogrammstunden und weitere Aktionen gab.
Zum Thema Kommerzialisierung wollte er klarstellen, dass er nicht für den Abschluss von Sponsoringverträgen verantwortlich sei. Die Einnahmen kämen zum Großteil dem Gesamtfußball zu Gute und nur ein Bruchteil der Nationalmannschaft. Auch stellte Bierhoff klar, dass 2018 nicht mehr kommerzielle Termine als bei der WM 2014 durchgeführt wurden.
Die Zukunft des „Die Mannschaft“-Slogan wird weiterhin analysiert. Ob dieser Slogan abgeschafft wird, steht noch nicht fest.
Bierhoff über den deutschen Fußball
Olivier Bierhoff äußerte sich auch zur Gesamtsituation des Deutschen Fußballs. So würden andere Nationen im Bereich der Nachwuchs-Leistungszentren aufholen. Anfang des Jahres sei die Projektgruppe „Zukunft Fußball“ gegründet worden, die sich um die Entwicklung des deutschen Fußballs kümmert.
Tobias Haupt wird ab Oktober Leiter der DFB-Akademie und soll neue Ausbildungswege entwickeln. Die freiwerdende Stelle des am Jahresende ausscheidenden Sportdirektors Horst Hrubesch wird wiederbesetzt. Hierfür lässt sich der DFB jedoch noch Zeit.
Bildquellen
- Joachim Löw bei der WM 2014: Danilo Borges/copa2014.gov.br