Auch wenn das Saarland in der Statistik der Anzahl an Impfungen je 100.000 Einwohner weiterhin überdurchschnittlich gut rangiert, reißt die Kritik am saarländischen Gesundheitsministerium nicht ab. Zur Erinnerung: Mit 420,4 Impfungen je 100.000 Einwohner liegt das Saarland hinter Mecklenburg-Vorpommern (714,7), Sachsen-Anhalt (609), Hessen (531,2), Bayern (504,8) und Berlin (483,9) auf Rang 6 im Bundesvergleich. Rheinland-Pfalz kommt auf 177 Impfungen je 100.000 Einwohner, Thüringen (38) und Niedersachsen (67,5) sind die einsamen Schlusslichter.
Kritik übten die Saar-SPD, FDP, Linke und AfD am CDU-geführten Ministerium. SPD-Fraktionschef Ulrich Commerçon sagte, es habe trotz ausreichender Vorbereitungszeit keine Konzepte im Gesundheitsministerium gegeben.
Ministerpräsident Tobias Hans: „Die Corona-Pandemie ist und bleibt eine große Kraftanstrengung für unser Land und ein Belastungstest für uns alle. Als erstes Bundesland haben wir mit großem Erfolg vergangene Woche mit den Impfungen in unseren drei Impfzentren begonnen. Im bundesweiten Vergleich konnten wir bereits deutlich mehr Menschen impfen als der Schnitt der Länder, wir befinden uns derzeit auf einem guten 6. Platz.
Die Nachfrage nach einer Impfung ist gerade bei den Saarländerinnen und Saarländern über 80 ganz besonders hoch. Über diese vorbildliche Impfbereitschaft dieser Generation, die unser Saarland mit aufgebaut hat, freue ich mich sehr. Damit diese Menschen bei knapp verfügbarem Impfstoff nicht mehrfach versuchen müssen, einen Impftermin zu ergattern, haben wir uns dazu entschieden, das Anmeldesystem gerechter zu gestalten„.
Warteliste kommt nächste Woche
Offenbar nimmt sich das Gesundheitsministerium die breite Kritik zu Herzen und versucht, Lösungen für das Dilemma zu schaffen. So soll ab kommender Woche eine Warteliste eingeführt werden. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sagte dazu: „Für diese Warteliste können sich alle Menschen der ersten berechtigten Impfgruppe anmelden und erhalten im Anschluss daran einen Termin für eine Impfung in einem der drei Impfzentren. Kann dieser Termin aus besonderen berechtigten Gründen nicht angenommen werden, so ist es möglich, über die Hotline einen neuen Termin zu vereinbaren, sofern noch alternative Termine zur Verfügung stehen. Damit geben wir allen die Chance, sich schnell und unkompliziert auf die Warteliste aufnehmen zulassen. Damit ist unser Bundesland eines der ersten, die dieses seniorengerechte Verfahren anwendet“.
Hotline wird aufgestockt
Auf die langen Warteschlangen bei der Terminvergabehotline reagiert das Gesundheitsministerium mit weiteren Mitarbeitern. „Wir haben sofort reagiert und den Dienstleister beauftragt, die Mitarbeiterzahl weiter auf über 100 zu erhöhen“, so Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU). „Auch haben wir in Abstimmung mit dem Betreiber des Buchungsportals besprochen, zur Terminvergabe eine Warteliste einzuführen. Der Dienstleister arbeitet mit Hochdruck an einer technischen Überarbeitung der Plattform, die nächste Woche im Saarland eingesetzt werden soll“.
Ganz unkommentiert möchte die Gesundheitsministerin die Kritik nicht stehen lassen. „Während in vielen Bundesländern die Impfzentren noch geschlossen bleiben und auch die Hotlines mit den gleichen Herausforderungen heute die Arbeit aufgenommen haben, ist das Saarland im Bundesvergleich mit dem Verimpfen weit vorne. Das Impfen in den Altenhilfeeinrichtungen und in den Impfzentren läuft reibungslos. Es fehlt aber an weiterem Impfstoff, um die Kapazitäten in den Impfzentren und damit die Terminvergabe auszuweisen. Wir hoffen, dass in den nächsten Tagen der Impfstoff von Moderna zugelassen und in die Länder geliefert wird. Auch hoffen wir, dass Biontech/Pfizer in Marburg weitere Produktionskapazitäten aufbaut“.
„Rund 120.000 Saarländer haben als erstes Anspruch nach der Impfverordnung des Bundes und der Ständigen Impfkommission: wir haben aktuell aber monatlich nur 35.000 Impfdosen für Impftermine, das zeigt, dass wir 3-4 Monate bei den jetzigen Impfstoffmengen brauchen werden, um im April auf die berechtigte Gruppe der 2. Priorität zu impfen. Unser Kurs ist klar: Nachfrage durch Terminvergaben abbauen – Schutz durch Impfungen aufbauen. Hierzu benötigen wir aber auch die erforderliche Menge an Impfstoff“, so Bachmann abschließend.
Kritik aus allen Ecken
Derzeit steht das Gesundheitsministerium von allen Seiten unter Beschuss. Neben der SPD-Fraktion übten zahlreiche weitere Fraktionen teils massive Kritik. So sagte AfD-Fraktionschef Josef Dörr, dass man bereits seit Monaten über die Mangelsituation angesichts des knappen Impfstoffs wusste, aber nicht darauf reagiert hätte. „Jeder Schulleiter hätte das besser gekonnt“, so der ehemalige Schulleiter Dörr.
Auch „DIE LINKE“ übte Kritik. Die derzeitige Terminvergabe gehe zu Lasten einsamer und sozial schwacher Menschen. Sie zeuge von sozialer Kälte, so der parlamentarische Geschäftsführer Jochen Flackus. Er schlug vor, postalisch Kontakt aufzunehmen und Terminvorschläge zu unterbreiten.
FDP-Landesvorsitzender Oliver Luksic: „Im Saarland konnten auch dank vielen ehrenamtlichen Helfern schnell Impfzentren aufgebaut werden, die Terminvergabe ist aber weiter chaotisch und gleicht einer Impflotterie. Die Impfung von Krankenhauspersonal, das mit Covid-Patienten Kontakt hat, muss wegen der hohen Gefahr einer Ansteckung dringend beschleunigt werden. Während im Saarland das Krankenhauspersonal einen Code erhält und dann in der Freizeit stundenlang meist vergeblich versucht, einen Termin zu bekommen, beliefern andere Bundesländer wie Rheinland-Pfalz direkt die Krankenhäuser“.
Hier erlauben wir uns eine abschließende Erinnerung: Rheinland-Pfalz kommt derzeit auf 177 Impfungen je 100.000 Einwohner, das Saarland auf mehr als 420. Offenbar läuft es auch in anderen Bundesländern nicht so gut, wie es der eine oder Politiker weiß machen möchte.