Derzeit geistert ein angeblich drohendes Verbot von Mikroplastik durch die Medien. Betroffen sein sollen unter anderem auch Kunstrasenplätze z.B. von Fußballvereinen. Vielerorts wird von drohenden „Kunstrasenverboten“ gesprochen. Was es damit auf sich hat, erfahren Sie in unserem Artikel.
Zuerst ein Rückblick: Im vergangenen Kalenderjahr sprach man bei der SV Hellas 05 Bildstock vom „perfekten“ Jahr. Nicht nur der sportliche Aufstieg in die Verbandsliga, sondern auch die Investitionen in die Sportanlage am Maybacher Weg machte Schlagzeilen: Eine neue Flutlichtanlage wurde installiert und ein moderner Kunstrasenplatz wurde verlegt. Verfüllt wurde der Rasen mit Quarzsand und einem nicht gesundheitsschädlichen EPDM Granulat. Dieses Füllmaterial ist wichtig, um zum einen die Kunstrasenfasern zu stützen – ähnlich wie es die Erde beim „Echtrasen“ macht und zum anderen, um Verletzungen vorzubeugen. Auch beeinflusst das Einfüllmaterial die Spieleigenschaften des Kunstrasens.
Dass das verwendete Material sämtliche notwendigen Gesetzesauflagen erfüllt, wird nur der Ordnung halber erwähnt.
Doch vor einigen Wochen brachte die EHCA (Europäische Chemikalienagentur) einen Antrag in das EU-Parlament ein, das „Einbringen von Mikroplastik in die Umwelt“ ab 2021 zu verbieten. Die EU-Chemikalienagentur bezieht sich in ihrem Schreiben auf eine Studie des Fraunhofer-Instituts, die Kunstrasenplätze als einen der „größten Quellen für Mikroplastik“ darstellen. So sollen in Deutschland alleine bis zu 10.000 Tonnen Mikroplastik in das Grundwasser eingebracht werden – pro Jahr!
Die große Panik beginnt
Geht es nach dem Schleswig-Holsteinischen Fußballverband, droht sogar (sofern das Verfahren ohne Übergangsfristen umgesetzt wird) ein „Zusammenbruch der Spielbetriebe“. Die Presselandschaft in Deutschland läuft aufgrund des „drohenden Zusammenbruchs“ Sturm, Fußballvereine befinden sich in Sorge.
Betrachtet man die Situation jedoch objektiv, handelt es sich derzeit um nicht mehr als unbegründete Panikmache. Der Vorschlag der EHCA basiert auf der Studie des Fraunhofer-Instituts, die besagt, dass bei Kunstrasenplätzen jährliche zwischen 2,5 und drei Tonnen dieses Granulats nachgefüllt werden müssten. Korrekt ist, dass jährlich ein Austrag durch den Spielbetrieb stattfindet. Nicht berücksichtigt wurden jedoch bei der Studie, dass in Deutschland aufgrund einer anderen Bauweise der Kunstrasensysteme deutlich weniger Granulat eingebracht werden muss.
Auch entstand in den Medienberichten der Eindruck, dass das „verschwundene“ Granulat vollständig in die „Umwelt“, oder das Grundwasser gelangen würde. Tatsächlich wird jedoch ein Großteil auf dem Platzgelände zusammengekehrt, entsorgt oder wieder auf dem Platz ausgebracht, sagt der Leiter der Marketingabteilung der Polytan GmbH, Tobias Müller.
Polytan bezeichnet sich selbst als einen „der Marktführer“ im Bereich Kunstrasen. Übrigens wurde bei der Hellas 05 Bildstock ebenfalls ein „Polytan-Kunstrasen“ verlegt. Es handelt sich um den Polytan LigaTurf Cross, einem Produkt, dass im Amateur- aber auch im Profi-Bereich eingesetzt wird.
„Eingefüllt wurde beim Hellas 05 Bildstock Quarzsand und EPDM Granulat, welches die Spielzeugnorm erfüllt und es ist damit nicht gesundheitsschädlich. EPDM Granulat besteht aus 70 % Naturstoffen und 30 % synthetischen Kautschuk.“
Tobias Müller, Leiter Marketing/Kommunikation Polytan GmbH
Gleichzeitig weist das Unternehmen darauf hin, dass es davon ausgeht, sofern es überhaupt zu Verboten des Granulats kommt, mehrjährige Übergangsfristen eingeräumt werden:
„Wir gehen davon aus, dass es, falls es zum Verbot des Gummigranulats kommt, zu einer mehrjährigen Übergangsfrist kommt, so dass alle existierenden Plätze noch längerfristig bespielt werden können. Alles andere wäre ungewöhnlich. Sollte es eine Frist von zehn Jahren geben und das Verbot ab 2022 gelten (früher ist unwahrscheinlich, weil der Vorschlag der ECHA durch die Gremien muss) bedeutet das für einen 2018 errichteten Platz eine Lebensdauer von 14 Jahren, was einem normalen Lebenszyklus von zehn bis 15 Jahren entspricht.“
Tobias Müller, Leiter Marketing/Kommunikation Polytan GmbH
Dennoch gehe man von einem Bestandsschutz für bestehende Plätze aus, führt das Unternehmen weiter aus.
Mittlerweile hat das Fraunhofer-Institut bestätigt, dass die veröffentlichte Studie auf Schätzungen beruhe und nicht wissenschaftlich nicht ausreichend fundiert seien. Ob – und wenn überhaupt – wie ein Verbot des Kunststoffgranulats auf Kunstrasen kommt, steht also in den Sternen.
„Leider hat die Studie ihren Beitrag zur massiven Verunsicherung bei den Platzbesitzern und -Nutzern beigetragen. Es gilt aber abzuwarten, was die EU entscheidet. Das Thema Bestandsschutz wird in der Diskussion eine wichtige Rolle spielen. Wir gehen davon aus, dass die mit Granulat verfüllten Plätze noch auf Jahre erhalten bleiben.“
Tobias Müller, Leiter Marketing/Kommunikation Polytan GmbH
Übrigens: Eine Umrüstung eines bestehenden Kunstrasens mit Kunststoffgranulat auf alternative Füllstoffe ist möglich, jedoch nicht günstig, da der Aufwand zum Austragen des Materials relativ aufwändig ist.
Leichte Entwarnung aus dem Umweltministerium
Eine leichte Entwarnung gibt es mittlerweile auch aus dem Bundesumweltministerium. Dort sagte ein Sprecher von Bundesminsterin Svenja Schulze (SPD):
„Ob die EU-Kommission ein Verbot von Plastik-Einstreumaterial für Kunstrasensportplätze vorschlagen wird, steht noch längst nicht fest“
Umweltbundesministerium
Weiter heißt es, die Europäische Chemikalienagentur sei erst in einer Frühphase der Meinungsbildung, es gehe weiterhin nur um den Neueintrag oder das Nachfüllen – nicht um den Abriss von Sportplätzen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) möchte sich – sofern es ab 2022 ein Verbot geben soll, für eine Übergangsfrist von 6 Jahren einsetzen. Gleichzeitig wirbt er bereits für einen vernünftigen Ausgleich zwischen Umweltschutz und den berechtigten Interessen des Sports.
Mittlerweile haben einige Bundesländer jedoch bereits auf ein mögliches Verbot reagiert: So wurde in Baden-Württemberg die Förderung neuer Kunstrasenplätze mit Gummigranulat eingestellt. Auch die rund 450 Kunstrasenplätze in Rheinland-Pfalz müssen eine Alternative zum Gummi/Kunststoff-Granulat finden.