Tempolimits auf deutschen Autobahnen werden immer häufiger gefordert. Auch mit Blick auf den Klimaschutz wird eine Limitierung gerne erwähnt.
Gerade im Wahlkampf sind diese Debatten gerne Thema. Doch die Parteien sind gespalten.
Während Grüne zwar das Wort „Tempolimit“ im Wahlprogramm vermeiden, fordern sie dennoch ein „Sicherheitstempo“ von 130km/h für Autobahnen fordern (120 bei „besonderen Gründen“) mit dem Ziel „Vision Zero“ zu erreichen, also keine Toten und Schwerverletzten mehr im Straßenverkehr.
Außerdem möchten sie es Kommunen erleichtern, in geschlossenen Ortschaften Tempo 30 einzuführen.
Auch die SPD befürwortet eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn, genauer gesagt 130 km/h. Auch die Linke möchte Limits durchsetzen, 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und innerorts 30 km/h.
Generell gegen Tempolimits sind Union, FDP und AfD.
Neutral zu einem Tempolimit steht mittlerweile der ADAC, der zuvor noch Tempolimits ablehnte. Man sei „nicht mehr grundsätzlich gegen ein Tempolimit“. Der Auto Club Europa hingegen spricht sich aus Gründen der Verkehrssicherheit, der Verringerung der Anzahl toter und schwerstverletzter Unfallopfer sowie wegen einem besseren Verkehrsfluss für ein Tempolimit aus.
Umfragen ergeben „Pro“ Tempolimit
Im April 2021 veröffentlichte das Bundesumweltministerium eine Befragung, in der 42 Prozent der Befragten „auf jeden Fall“ ein Tempolimit wünschen. 22 Prozent tendierten zu „eher ja“. 36 Prozent lehnen ein Tempolimit ab. Eine weitere Umfrage des ADAC ergaben, dass 50 Prozent der Mitglieder für ein Limit stimmten, 45 gegen ein generelles Tempolimit votierten.
Verkehr faktisch drittgrößter Verursacher von CO2
Nach Erhebungen des Bundesumweltamtes wurden im Jahr 2019 810 Millionen Tonnen Treibhausgase durch die Bundesrepublik Deutschland erhoben. Auf den Sektor „Vekehr“ fielen demnach rund 165 Millionen Tonnen – in etwa gleich viel wie im Jahr 1990.
Damit ist der Verkehrssektor der drittgrößte Verursacher von Treibhausgasen in Deutschland – hinter Energiewirtschaft und Industrie. 86 Prozent der Emissionen entstehen im Verkehrssektor auf Straßen, ein Viertel davon auf Autobahnen.
Welches Einsparpotenzial bietet ein Tempolimit?
Nach aktuellen Studien des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2020 könnten durch ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen rund 1,9 Millionen Tonnen CO2 einsparen lassen. Bei einem Tempolimit von 120 km/h wären 2,6 Millionen Tonnen, bei Tempolimit 100 km/h ganze 5,4 Millionen Tonnen pro Jahr. Legt man die Einsparziele bis zum Jahr 2030 zu Grunde, ließen sich durch die genannten Limits entweder 2,4 Prozent (130 km/h), 3,2 Prozent und bei Tempolimit 100 rund 7 Prozent der einzusparenden Emission reduzieren.
Rettet dies die Klimaziele?
Kurz beantwortet: Nein. Deutschland muss seinen CO2-Ausstoß drastisch reduzieren, wenn es die selbstgesteckten Klimaziele erreichen möchte.
Hierzu trägt ein Tempolimit bei, ist aber nicht das wichtigste Element. Gerade der Energiesektor ist großer Treibhausgas-Produzent. Erneuerbare Energien zu nutzen, ist daher alternativlos. Dennoch würde ein Tempolimit helfen, auch Feinstaub zu reduzieren, wie Stefan Hausberger von der TU Graz erklärt. Durch das Abbremsen von sehr hohen Geschwindigkeiten entstehe mehr Bremsabrieb – Feinstaub. Auch Reifenabrieb würde sich reduzieren.
Zusammenhang zwischen Tempolimit und Unfällen schwierig
Generell sprechen Politiker häufig von der Reduzierung von Unfällen und Toten durch ein Tempolimit. Diesen Zusammenhang sei schwierig herzustellen, da viele Faktoren in einem solchen Thema eine Rolle spielen.
Wie würde sich ein allgemeines Tempolimit von 130 km/h konkret auf die Todeszahlen auswirken? “Wir haben tatsächlich keine aktuelle Forschung, die uns in irgendeiner Prozentzahl zeigt, was ein allgemeines Tempolimit bringen würde”, sagt Unfallforscher Brockmann. Aussagekräftige Studien gäbe es nicht.
Blick nach Europa
Deutschland ist, wenn es um Tempolimits auf der Autobahn geht, ein Sonderfall. Alle europäischen Länder haben verbindliche Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen festgelegt, für Fahranfänger gelten teilweise geringere Geschwindigkeiten.
In Belgien, Finnland, Griechenland, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien und der Türkei beträgt das Tempolimit auf Autobahnen beispielsweise 120 km/h. In Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Italien, Irland, Kroatien, Österreich, Polen, Rumänien, der Slowakei, Ungarn und Tschechien beispielweise 130 km/h. Abweichungen treffen noch die Norweger, die nur 90km/h auf Autobahnen zulassen, Großbritannien mit 112 km/h – und eben Deutschland, wo es nur eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h gibt, diese jedoch nicht verbindlich ist.
Fazit
Ob ein generelles Tempolimit zu weniger Verkehrstoten oder schweren Unfällen führen wird, gilt als unbewiesen. Dass sich CO2-Emissionen einsparen lassen, ist unbestritten.
Der Blick in andere Länder Europas zeigt auch, dass sich der Verkehr nicht stauen würde, sondern der Verkehrsfluss verstetigt würde.
Es gibt also gute Gründe für ein Tempolimit. Außerdem könnte es den Schilderwald inklusive teilweise unfair aufgestellter Verkehrsüberwachungseinrichtungen reduzieren. Es gibt also durchaus Gründe dafür, ein „GameChanger“ ist es hingegen nicht.