Neue Forschungsdaten deuten darauf hin, dass die bisherigen Corona-Impfstoffe bei der Omikron-Variante einen deutlich geringeren Impfschutz bieten. Das teilte die Virologin Sandra Ciesek am Mittwoch über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. In einer entsprechenden ersten Untersuchung zeigte sich demnach, dass bei Impfungen mit zwei Mal Biontech, zwei Mal Moderna oder der Kombination von Astrazeneca und Biontech nach sechs Monaten bei Omikron keine Neutralisation durch die Antikörper mehr stattfindet. Bei drei Mal Biontech wird drei Monate nach dem „Booster“ noch 25 Prozent Neutralisation gemessen.
Bei der Delta-Variante sind es laut Ciesek zu diesem Zeitpunkt 95 Prozent. Es handele sich um eine bis zu 37-fache Reduktion bei Omikron gegenüber Delta. „Die Daten bestärken, dass die Entwicklung eines an Omicron angepassten Impfstoffs sinnvoll ist“, schreibt die Virologin weiter. Die Daten könnten aber nichts dazu aussagen, ob man weiterhin vor einem schweren Verlauf geschützt ist, fügte sie hinzu. Dabei spielten zum Beispiel auch die sogenannten T-Zellen eine Rolle.
Afrika-Studie zeigt geringe Biontech-Wirkung
Eine weitere Studie aus Afrika deutet darauf hin, dass der Wirkstoff von BioNTech/Pfizer offenbar deutlich weniger vor einer Infektion mit der Omikron-Mutation schützt, als vor den bisherigen Varianten.
So soll der Wirkstoff nur noch einen „teilweisen Schutz“ gegen Omikron bieten. Die Neutralisierung von Omikron habe im Vergleich zu einem früheren Covid-Stamm „sehr stark abgenommen“, erklärte Alex Sigal, Professor am Africa Health Research Institute in Südafrika auf Basis vorläufiger Ergebnisse.
Bei Labor-Untersuchungen von zwölf Personen sei ein 41-facher Rückgang der neutralisierenden Antikörper gegen die Omikron Variante festgestellt worden. Die Daten wurden bisher jedoch noch nicht von Fachkollegen geprüft. Außerdem ist die Zahl von zwölf Probanden sehr gering.
BioNTech-Chef Ugur Sahin rechnet noch im Laufe der Woche mit verlässlichen Daten zur Wirksamkeit gegen die Omikron-Mutation.
Keine Daten von anderen Herstellern – US-Experte gibt leichte Entwarnung
Wie sich die Impfstoffe von Moderna, Johnson & Johnson und AstraZeneca gegen die Virus-Mutante „Omikron“ verhalten, ist noch nicht durch Studien belegt. Moderna-Chef Stéphane Bancel zeigte sich jedoch skeptisch bei der Wirksamkeit: „Ich glaube, die Wirksamkeit hat auf keinen Fall das gleiche Niveau wie gegen die Delta-Variante“ so der Chef des Biotech-Konzerns.
AstraZeneca äußerte sich bisher zurückhaltend, sieht aber bisher keinen Hinweis auf „mangelnden Schutz vor schweren Krankheitsverläufen“. Wie es um den Infektionsschutz steht, ist nicht bekannt.
Der führende US-Experte für Infektionskrankheiten, Anthony Fauci, äußerte sich am Dienstag zu der Omikron-Variante. Diese soll „wahrscheinlich“ einen höheren Grad der Übertragbarkeit aufweisen, jedoch mit weniger schwerwiegenden Folgen.
Die WHO hält es nach aktuellem Stand für „höchst unwahrscheinlich“, dass die neue Omikron-Variante den Impfschutz vollständig aushebeln könnte. „Wir haben hochwirksame Impfstoffe, die sich bisher gegen alle Varianten als wirksam erwiesen haben, was schwere Erkrankungen und Krankenhausaufenthalte angeht“, sagte der Leiter der WHO-Notfallabteilung, Michael Ryan, der Nachrichtenagentur AFP. „Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass dies bei Omikron nicht der Fall sein könnte.“
Der Arzt bestätigte außerdem frühere Einschätzungen, wonach die neue Variante eine Ansteckung mit geringerem Schweregrad hervorrufen könne. Jedoch seien die Analysen noch nicht weit fortgeschritten. Man stehe erst „ganz am Anfang“.
Schnelle Anpassung der Impfstoffe
Die mRNA-Technologie (verwendet von BioNTech und Moderna) ermöglicht eine Anpassung der Impfstoffe an neue Mutationen in „ungefähr“ 100 Tagen. Generell muss bei der Wirksamkeit der Impfung gegen Covid-19 zwischen Infektionsschutz und Schutz vor schweren Verläufen, also Fällen, in denen ein Patient ins Krankenhaus oder gar auf die Intensivstation verlegt werden muss, unterschieden werden.
Der Schutz vor schweren Verläufen scheint bei allen Impfstoffen weiter verhältnismäßig hoch zu bleiben. Der Infektionsschutz hingegen nimmt spürbar ab.
Drosten: „Sieht nicht gut aus“
Auf Basis der vorgelegten Daten von Virologin Ciesek äußerte sich auch Christian Drosten via Twitter. „Jetzt haben wir drei Gruppen mit circa 40-fachen Verlust der Serumneutralisationsaktivität bei vollständig immunisierten Personen“, schrieb er. „Sieht nicht gut aus für zweifach Geimpfte“, folgerte er daraus. Eine dritte Dosis sei nötig.
Ugur Sahin, Chef von BioNTech abschließend: „Unsere Botschaft ist: Verfallen Sie nicht in Panik, der Plan bleibt derselbe. Beschleunigen Sie die Verabreichung der dritten Dosis.“ Damit lag er offenbar richtig, denn nach den Daten Cieseks ist nur mit der dritten Dosis überhaupt noch ein Schutz gegen Omikron da.