„Wir müssen als Gesellschaft die tägliche Lebensfreude wieder entwickeln“, sagte Braun der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Dafür sei jetzt die Zeit gekommen.
Es sei wie in der Medizin: Wenn jemand krank sei, verordneten ihm die Ärzte Bettruhe und Vorsicht. Wenn es aber wieder bergauf gehe, „sind die Ärzte auch diejenigen, die einen wieder aus dem Bett ziehen und sagen: Und jetzt müssen Sie wieder anfangen, sich zu belasten und zu bewegen.“ Braun betonte aber auch, Normalität könne es dauerhaft nur geben, wenn sich möglichst viele Menschen impfen ließen. Dies sei nicht nur ein individueller Schutz, sondern eine „gesellschaftliche Aufgabe“.
Der Minister warnte davor, diese zu unterschätzen. „Ab dem Herbst wird der Schutz derer, die das Impfangebot nicht wahrnehmen wollen, keine Beschränkungen mehr rechtfertigen. Das heißt, wer sich nicht impfen lässt, muss damit rechnen, dass er früher oder später Corona bekommt.“
Brinkmann bekommt bei Öffnungen Bauchschmerzen
Im Interview mit RP-Online hingegen spricht die Virologin vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Melanie Brinkmann, von Bauchweh bei Öffnungsschritten und Fußball mit Zuschauern.
Brinkmann sagte, sie habe ein „mulmiges Gefühl dabei“, dass die Risikobewertung des RKI von „sehr hoch“ auf „hoch“ herabgestuft wurde. „Ich habe auch Bauchschmerzen, wenn nun alle Kinder wieder in die Schule gehen und fast zeitgleich in manchen Regionen sogar die Maskenpflicht im Unterricht aufgehoben wird„, so die Virologin weiter.
Brinkman selbst sei während der Pandemie immer auf der „besorgten Seite“. Als Problem sehe sie an, dass derzeit viele Bereiche gleichzeitig geöffnet werden würden, insbesondere dort, wo sich viele Menschen gleichzeitig in geschlossenen Räumen befänden, wie beispielsweise in Fitnessstudios, beim Hallensport oder in der Innengastronomie. „Mir wird dabei ganz anders. Ich fürchte die Zahlen werden über kurz oder lang wieder steigen„.
Außerdem könne sie nicht nachvollziehen, wie man die Bundesnotbremse nun einfach auslaufen lassen könne, nachdem man „das mit so viel Mühe durchgesetzt“ habe.
Zu hohe Schwellen, vierte Welle auch im Sommer
Generell empfinde Brinkmann, dass die Schwelle für die Notbremse zu hoch angesetzt war. Ziel müsse sein, „dass Menschen gar nicht erkranken oder ins Krankenhaus müssen„. Daher sei „jede Infektion eine zu viel„.
Geht es nach der Virologin, seien auch größere Inzidenzen im Sommer möglich. Auch Inzidienzen von 100 seien im Sommer möglich. „Man kann die Ansteckungsgefahr der Delta Virusvariante noch nicht genau absehen, aber die derzeitige Impfquote reicht in der jetzigen Lage noch nicht aus, um eine erneute Ausbreitung des Virus zu verhindern„.
Es sei sinnvoll, jetzt die Zahlen „noch weiter zu senken„. Die Virologin: „Stellen Sie sich mal vor, wir rasseln pünktlich zu den Sommerferien in die vierte Welle hinein, was dann hier los wäre! Ich bleibe im „Team Vernunft und Vorsicht“ – je niedriger die Inzidenzen, am besten unter zehn, desto unbeschwerter können wir den Sommer genießen„.
Brinkmann weist außerdem auf den weiterhin existierenden Mangel an Impfstoff hin. „Ich bin nach wie vor skeptisch, ob das Versprechen der Bundesregierung zu halten ist, bis Ende des Sommers allen Bürgern ein Impfangebot zu machen. Und ein ‚Impfangebot‘ alleine führt noch keine Immunität herbei. Dafür muss schon tatsächlich geimpft werden„.
Braun: „Lebensfreude wieder entwickeln“
Für Helge Braun (CDU) geht der Blick jedoch eher in den Herbst. Denn dort würden sich die „saisonalen Effekte“ in der Pandemie reduzieren. Das Hauptaugenmerkt liege daher darin, jedem impfwilligen schnellstmöglich ein Impfangebot machen zu können. Außerdem fordert Baun, dass „wir als Gesellschaft die tägliche Lebensfreude wieder entwickeln“. Die Zeit hierfür sei gekommen. Es sei wie in der Medizin: Wenn jemand krank sei, verordnete man ihm Ruhe und Vorsicht. Wenn es bergauf ginge, seien Ärzte auch diejenigen, die einen wieder aus dem Bett ziehen und sagen: „Jetzt müssen Sie sich wieder anfangenzu bewegen!„.
Drosten erwartet guten Sommer und mahnt im Herbst vor Vorsicht
Der Virolge der Charité in Berlin stellte bereits im Mai einen „ganz guten“ Sommer in Aussicht. Mit Blick auf den Herbst sprach sich der Virologe jedoch für Vorsicht aus. Ähnlich äußerte sich der SPD Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. „Es kann sein, dass wir im Herbst noch Schwierigkeiten bekommen„, sagte er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Man erkenne gut den Impffortschritt, aber man dürfe nicht vergessen, dass viele Menschen immer noch ungeimpft seien. Mutationen der Virusvariante könnten die Wirksamkeit der Impfstoffe aufweichen. Daher müsse man sich auf Booster-Impfungen im Herbst vorbereiten. Diese stellte auch der Berliner Virologe Christian Drosten in einem „Coronavirus-Update“ des NDR in Aussicht. Durch eine Booster-Impfung kann auf neu auftretende Mutationen des Sars-CoV-2-Virus reagiert werden und die Schutzwirkung der Corona-Impfung aufrecht erhalten werden.