Bereits 48 Lieferanten, die vom Bundesgesundheitsministerium nicht oder nur teilweise für gelieferte Ware bezahlt wurden, haben nach Auskunft des zuständigen Bonner Landgerichts Zivilklagen eingereicht, berichtet die „Welt am Sonntag“. Pro Woche kommen demnach etwa zehn weitere Klagen hinzu.
Rund 100 weitere Lieferanten bereiten demnach mit Hilfe von Anwälten ein abgestimmtes juristisches Vorgehen vor. Insgesamt fordern die betroffenen Unternehmen ausstehende Zahlungen von etwa 400 Millionen Euro ein, wie mehrere beteiligte Anwaltskanzleien hochrechnen. Das Ministerium selbst schreibt auf Anfrage, ihm seien bislang nur 21 Klagen bekannt, es gehe um Forderungen in Höhe von 59 Millionen Euro. Das Haus von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte auf Anfrage, Qualitätsmängel und falsch gestellte Rechnungen seien der Grund für die „Verzögerungen beim Zahlungsziel“. Kläger und Oppositionspolitiker vermuten dagegen: Das Ministerium versuche, sich seinen Zahlungsverpflichtungen zu entziehen, nachdem es feststellte, deutlich zu viele Masken geordert zu haben. Die Einkaufstour des Ministeriums „völlig aus dem Ruder gelaufen“, sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katja Dörner. „Es ist nicht auszuschließen, dass die offenen Rechnungen auch Folge der Flut an Angeboten sind.“ Der FDP-Haushaltsexperte im Bundestag, Otto Fricke, befürchtet, „dass sich die Bundesregierung mit bürokratischer Kreativität vor der Zahlung drücken oder sie verzögern will.“
Regio-Journal berichtete bereits im Juni
Bereits im Juni wurden die Zahlungsverzögerungen bekannt. Wir berichteten ausführlich, dass zu diesem Zeitpunkt noch Zahlungen in Höhe von rund 600 Millionen Euro ausstünden.
Das Gesundheitsministerium um Jens Spahn hat Verträge mit mehr als 700 Lieferanten geschlossen.
Bereits damals erklärte das Ministerium, dass man sich vorberhalte, Zahlungen bei Mängeln in der Lieferung auszusetzen.
„Angesichts der bei fast allen Lieferungen bestehenden Fehlerquote würde bei einer vollständigen Zahlung für den Bund ein zu hohes Ausfallrisiko bestehen“, teilte das Ministerium auf „Spiegel“-Anfrage mit. Stattdessen habe man Lieferanten nun angeboten, zunächst die Hälfte der Summe als Abschlag zu zahlen, bis die Ware geprüft sei.
Im Juli lagen dann laut dem Wirtschaftsmagazin „Capital“ (Heft 8/2020) 20 Klagen gegen das Bundesgesundheitsministerium vor.
Auch hierrüber berichteten wir.
Offenbar stimmte jedoch bei zahlreichen Lieferungen die Qualität nicht. Um dies festzustellen, beauftragte der Bund den TÜV mit einer Kontrolle der Masken und holte sich zur Unterstützung eine Prüffirma ins Haus. Dabei wurde auch klar, dass der im Open-House-Verfahren zugesagte Preis von 4,50 Euro je FFP2-Maske aus heutiger Sicht viel zu hoch war. Nach Informationen von „Capital“ lassen sich FFP2-Schutzmasken in China inzwischen für weniger als einen Euro beschaffen – etwa im Freihafen von Schanghai. Auf Anfrage des Magazins bestätigte das Gesundheitsministerium letzten Monat, dass einige Klagen zugestellt worden seien.
Nun sind also rund 50 Klagen anhängig. Die Gerichte werden nun feststellen müssen, ob die Zahlungen zurecht verweigert wurden, oder ob der Bund sich tatsächlich, wie die Opposition behauptet, um die Zahlungen drücken möchte.