Die Länderkammer verzichtete bei einer Sondersitzung am Donnerstag auf einen Einspruch gegen die entsprechende Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Da es sich um ein sogenanntes Einspruchsgesetz handelt, war eine Zustimmung des Bundesrats nicht notwendig. Es ging nur um die Frage, ob der Vermittlungsausschuss angerufen wird, um das Gesetz inhaltlich nachverhandeln zu lassen. Hierfür wäre eine absolute Mehrheit von 35 der insgesamt 69 Stimmen nötig gewesen. Eine Abstimmung fand nicht statt, da kein Land die Anrufung des Vermittlungsausschusses beantragte. In der Debatte äußerten mehrere Ministerpräsidenten dennoch scharfe Kritik an der Corona-Notbremse.
Nachdem der Bundestag und auch der Bundesrat das Gesetz gebilligt haben, muss es von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnet werden. Dies könnte bis morgen erledigt sein, sodass das Gesetz ab Montag in Kraft wäre.
Haseloff: „Tiefpunkt der föderalen Kultur“
Zuvor gab es zahlreiche kritische Stimmen. So äußerte sich Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident Sachsen-Anhalts und Präsident des Bundesrates massive Kritik am Vorgehen der Regierung. Das Maßnahmenpaket sei „alles andere, als von sich selbst heraus verständlich„. Am Ende würde es den bundesweiten Flickenteppisch vergrößern, statt verkleinern. Die Bundesnotbremse bedeute das Aus für Modellprojekte, es nehme auch die Möglichkeit, Anreize zum Testen zu setzen. „Der heutige Tag ist ein Tiefpunkt für mich in der föderalen Kultur der Bundesrepublik Deutschland„, so Haseloff abschließend.
Weil: „Kein großer Wurf“
Auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kritisierte das Gesetz. Es sei „für den Infektionsschutz kein großer Wurf“. Es wisse bereits jeder um die verfassungsrechtlichen Bedenken und er sei sehr gespannt auf die zu erwartende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. „Unnötig, aber unschädlich„, sei sein Kommentar zu dieser Gesetzesänderung.
Saar-MP warnt vor dauerhaftem „hin und Her“
Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans nutzte die Bühne, um sein Saarlandmodell positiv zu bewerten. Die Wirkung der Bundesnotbremse kommentierte er nicht. Der CDU-Politiker gab zu bedenken, dass man sich die Frage stellen muss, wie man mit dieser Pandemie dauerhaft umgehen möchte. „Wir brauchen etwas, das die Menschen nicht auf Dauer diesem Hin und Her aussetzt“, so der saarländische Ministerpräsident. Es wäre ein Verlust, wenn Modellprojekte nicht mehr möglich wären, auch deshalb sehe er das Gesetz kritisch.
Bouffier ehrlich und nachdenklich
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier äußerte sich nachdenklich und hob die Fragen der Bürger in den Vordergrund. Er sprach von einem „faktischen Abwägungsverbot“ in Bezug auf rechtliche Bedenken. Es sei richtig zu handeln, es ginge auch nicht um die Frage „ob wir handeln“, sondern um die Frage „wie wir handeln“. Er könne nicht akzeptieren, dass rechtliche Bedenken in dieser Situation einfach „beiseite gewischt werden„.
Ausgangsperre ab 100, Laden- und Schulschließungen
Die Folgen dieses Gesetzes sind einschneidend. Nach dieser Neuregelung dürfen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 je 100.000 Einwohnern in einem Kreis oder einer Stadt Menschen ab 22 Uhr die eigene Wohnung oder das eigene Grundstück nicht mehr verlassen. Spaziergänge und Joggen alleine bis Mitternacht bleiben hingegen erlaubt.
Ab einer Inzidenz von 100 dürfen Läden nur noch für die öffnen, die einen negativen Coronatest vorweisen können und zuvor einen Termin gebucht haben. Ab einer Inzidenz von 150 ist nur noch das Abholen bestellter Ware möglich.
Präsenzunterricht an Schulen werden ab einer Inzidenz von 165 gestoppt, Ausnahmen für Abschlussklassen bleiben möglich.
Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht werden allerdings noch erwartet. SPD-Politiker Florian Post kündigte bereits eine Verfassungsklage an, ebenso die FDP Bundestagsfraktion.